Neu: Schinkel in Bewegung
Ein erster Bericht von Dr. Arwed Bonnemann:
Wer in den letzten Tagen die Zeitung aufgeschlagen hat, fand in dick gedruckten Lettern ein erschreckendes Untersuchungsergebnis der Welt-Gesundheits-Organisation (WHO): Mehr als 80% (!) der Kinder und Jugendlichen (nicht nur in Deutschland) bewegen sich zu wenig. Die Hauptursache dafür war schnell gefunden: Die Faszination der Nutzung von Handy, Smartphone und Computer. Im Prinzip ist dieses Phänomen mangelnder körperlicher Bewegung in der Erwachsenenwelt schon seit langem bekannt. In den letzten Jahrzehnten veränderte sich die individuelle Lebensgestaltung in qualitativ bedeutsamer Weise, Wohlstand, Konsum, das Nahrungsangebot usw. verführten zu mehr Bequemlichkeit und damit zu ungesundem Verhalten. Bewegung ist im Bauplan des Menschen angelegt, nicht Bequemlichkeit. Die Konsequenzen werden in erster Linie in den Statistiken des Gesundheitswesen deutlich. Es gab noch nie eine derart steigende Quote an Zivilisationskrankheiten.
Vor diesem Hintergrund entstand die Idee unseres Pilotprojekts. Im Rahmen unserer Möglichkeiten wollten wir in unserem Dorf erkunden, ob das Angebot eines Bewegungskurses für die Einwohner Schinkels interessant sein könnte. Wir entschieden uns dabei für das Bewegungstherapie-Verfahren Power-Walking. Schinkel ist überschaubar, hat Natur im Überfluss, viel frische Luft, besitzt schöne naturbelassene Wege, Wiesen und Felder, wenig Verkehr außerhalb der Hauptstraße, den Kanal, Einsamkeit, Knicks, interessanten Baumbestand usw. und es gab einen ausgewiesenen und erfahren Lauftherapeuten als Supervisor. Das Konzept unseres Projekts wurde konkretisiert und Ende September vorgestellt, zunächst aber nur im näheren Umfeld im Sinn von Ansprache und Weitersagen, allerdings auch durch Aushang.
Das Konzept in Kurzform: „Power Walking“ ist zu verstehen als individuell angemessenes schnelles Gehen ohne Wettbewerbsanspruch. Es standen 2 Rundkurse zur Auswahl von je knapp 3 km Länge („Schinkel Nord“ und „Schinkel Süd“, von uns so genannt). Die Teilnehmerzahl sollte ungefähr auf 10 bis 12 begrenzt bleiben. Die jeweiligen Durchgänge wurden professionell begleitet. Zur weiteren Kontrolle war ein Eingangs- und Abschlussfragebogen entwickelt worden und als besonders hilfreich erwiesen sich die Messdaten nach jedem Durchgang auf dem Smartphone. Die Dauer des Kurses war auf 6 Wochen angesetzt mit zweimaligem Treffen pro Woche von je ca. einer Stunde. Der Kurs war kostenfrei. Als Zielvorgabe galt der allmähliche Aufbau von Fitness, Kondition und Ausdauer, Stressabbau, Selbsterfahrung bei widrigen Wetterverhältnissen, Gruppendynamik, Abnahme negativer Befindlichkeiten, Erhöhen der Lebensqualität.
Kurzerhand wurde ein Termin und ein Treffpunkt an der Möhl auf den 23. September festgelegt , es kamen 8 Teilnehmer unterschiedlichen Alters, einige kannten sich, andere aber nicht. Der Kurs begann mir einer Einweisung in die Techniken des Power Walkings, mit einigen Dehnungsübungen und mit einer Vorstellungsrunde. Es schloss sich der vorgeplante Weg durch Felder und Wiesen an, der nach einer Stunde wieder zurück zur Möhl führte. Alle Teilnehmer erschienen erneut zum 2. Termin und so sollte es im Prinzip auch in den gesamten 6 Wochen bleiben. Als ein Erklärungsansatz für dieses ungewöhnlich gute und von der Sache her produktive Gruppenklima diente unter anderem auch die Auswertung des Eingangsfragebogens . Er sollte eigentlich aufzeigen (anonym), von welchen körperlichen oder seelischen Schwachstellen sich jemand beeinträchtigt fühlte. Die Auswertung ergab etwas Interessantes: Es wurden so gut wie keine Beeinträchtigungen vermerkt: Wenig Nervosität, kaum Stress, selten Schlafprobleme, keine Kopfschmerzen, keine Kreislaufprobleme. Die Teilnehmer erwarteten von dem Kurs also weniger die Linderung eines körperlichen oder psychischen Symptoms , sondern eher, ausgehend von guter und stabiler Befindlichkeit, mehr Bewegung in ihrem Alltag und damit mehr Fitness und Kondition.
In gewisser Weise orientierte sich unser Kurs in Laufe der Wochen mehr und mehr an dem Kriterium Leistung und Leistungssteigerung. Die Kondition der Teilnehmer hatte sich nach eigenen Aussagen spürbar verbessert, das Tempo war schneller geworden, die Gruppe war zu einem guten Team geworden. Die zwei vorgegeben Rundkurse von 3 km genügten nicht mehr. Die Walkingstrecken wurden nach Absprache immer länger, neue Wege wurden erkundet, neue Dinge in der Natur entdeckt, z.B. unbekannte Wildspuren, hohe Bäume voller farbenprächtigem Herbstlaub, abspringende Rehe, Schlafstellen unbekannter Tiere, viel nasses Gras und einige fast unüberwindbare Matschpassagen auf den Naturwegen. Derartige Dinge erhöhten den Zusammenhalt der Gruppe weiter und man freute sich auf das nächste Zusammentreffen. Die Funktion des Smartphons soll nicht unerwähnt bleiben. Sie war unerbittlich und gleichzeitig faszinierend. Es konnte die jeweils zurückgelegte Entfernung auf Meter exakt gemessen werden, die verbrauchten Kalorien, die Anzahl der Schritte , es wurde die zurückgelegte Strecke graphisch noch einmal auf dem Display aufgezeigt und ähnliches mehr. Das war in seiner Objektivität als Rückmeldung fast unglaublich, gleichzeitig aber auch verführerisch. Gegen Ende des Kurses hatten wir Entfernungen von z.B. über 7 km zurückgelegt, mit viel Spaß und Unterhaltung und ohne es groß zu bemerken. Die Daten wurden jeweils erst abgelesen ,wenn wir angekommen waren. Es blieb nicht ganz einfach, nicht dem Reiz dieser Daten zu verfallen., denn nicht die Gruppenleistung als Ganzes sollte im Vordergrund stehen, sondern das Erleben und Nachspüren der Strecke und das gemeinsam Gespräch darüber als Rückmeldung.
Der formale Abschluss nach 6 Wochen war kein Abschluss. Dennoch war er ein Anlass für uns zu feiern. Dazu hatte ein Teilnehmer zu Kaffee, Wein und selbstgebackenen Kuchen nach der Tour eingeladen und wir reflektierten über das Gewesene und besprachen das Kommende. Schöne Urkunden gab es auch noch. Nein, aufhören wollte niemand und richtig, wir treffen uns weiter zu den gewohnten Nachmittagsterminen und wenn nichts dazwischen kommt, werden wir in den nächsten 20 Jahren zweimal in der Woche in und rund um Schinkel anzutreffen sein.
Vor 4 Jahren: Laufen in Schinkel
Inzwischen sind es schon fast vier Jahre her, dass hier im Dorf ein Anfänger-Kurs „Laufen und Wohlbefinden“ angeboten wurde. Zwölf Interessenten meldeten sich, die dann mit
einem erfahrenen Lauftherapeuten sechs Wochen lang regelmäßig an zwei Tagen in
der Woche ca. eine Stunde lang zusammen unterwegs waren.
Das gemeinsame Ziel bestand darin, nach diesen 6 Wochen dreißig Minuten ohne Unterbrechung langsam laufen zu können. Die Teilnehmer waren engagiert, hatten viel Spaß und haben eine Menge über sich und ihre Möglichkeiten erfahren.
Anstrengung war angesagt, aber nur in angemessener Dosierung. So wurde die persönliche Fitness von mal zu mal gesteigert. Leistung und Konkurrenz waren verpönt. Langsames Laufen erhöhte die Chance auf Selbstwahrnehmung von Körper und Seele.
Das Erfolgserlebnis war ein entscheidender zusätzlicher Lohn und die Motivation für eine Fortsetzung des Erlernten.
Der Laufkurs war ein Erfolg und ist abgeschlossen. Bei Interesse gerne melden - vielleicht findet sich wieder eine Gruppe: Kontakt